Geist und Körper im Gleichgewicht: Das Prinzip der Koolay (Band V)
Die Bezeichnung Koolay, die sich selbst als i'koolai beschreiben, umschreibt die ältesten intelligenten Lebewesen Ayganyans. Sie gelten aufgrund der Tatsache, dass sie nicht, wie etwa die Ayganyay, ursprünglich aus einer anderen Welt stammen (1), als Ureinwohner des Planeten.
Ihre Kultur war bereits alt bevor die ersten Ayganyay von Serganyan emigrierten.

Die Existenz eines Koolay bilden eine Symbiose geistiger und physischer Komponenten. Prinzipiell sind sie geistige Lebewesen, die eine gewisse Konstanz und Kontingenz in der physischen Erscheinung aufweisen. Diese Gründe für diese Kontingenz sind ihrerseits jedoch nicht physischen Ursprungs, sondern entspringen der Einsicht in die Notwendigkeit von Verständigung und Information zwischen lebenden Systemen.

Koolay werden nicht geboren, sie werden erlernt und ersonnen. Ein Koolay Individuum trennt sich von seinem Ursprung allein aufgrund der Einsicht des älteren Wesens, dass die Komplexität seines eigenen Lebens nicht mehr von ihm allein getragen werden kann.

Als Folge daraus sind Koolayindividuen eingeschlechtlich. Während ihrer Evolution bestand niemals eine Notwendigkeit, Zwei- oder Mehrgeschlechtlichkeit zu entwickeln, weil die Differenz zwischen den einzelnen Individuen sowie die Entwicklungsprozesse in der Welt stets ausreichten, um Einsichten zu erzeugen, die die Bereitschaft zur Teilung der Strukturen der Einzelwesen, und damit auch Weiterentwicklung ermöglichten.

Koolay sind selbstreproduzierende Wesen, deren geistiges Potenzial verantwortlich ist für ihre Erscheinung und ihre eigene Funktionsfähigkeit.
Stirbt ein Koolay, so tut er das aufgrund fehlender ausreichender Kenntnis der Bedürfnisse des eigenen Wesens, ganz gleich, ob diese seelischer oder physischer Art sind. Aus diesem Grund haben der Erwerb von Wissen und die Erfahrung der eigenen geistigen Anteile oberste Priorität im Leben der Koolay, die in jedem erlebbaren Moment selbst entscheiden, ob sie ihre Existenz fortsetzen möchten.
Das Koolayhirn besitzt, solange es funktionsfähig ist, absolute Kontrolle über die äußere Form des dazu gehörigen Individuums. Gedanken dienen in diesem Sinne als Stammzellen des eigenen Körpers. Virtualität ist die mutationsfähigste DNA, die den Koolay während ihrer Evolution zur Verfügung stand. Daher ist sie dominant gegenüber jeglicher physischen Struktur.
Als Konsequenz daraus kann ein Koolay immer nur so gut funktionieren, wie es sich wortwörtlich selbst ersinnen kann. Ein Koolay bestimmt eigenständig, welche Anteile seines Körpers in welcher Form erscheinen, welche Gesetzmäßigkeiten ihm zugrunde liegen und damit auch, welche Anteile es anderen Wesen zur Wahrnehmung Verfügung stellt, sofern es mit den Wahr-nehmungsweisen seines Gegenübers vertraut ist.
Ich selbst habe Koolay immer nur soweit als Form wahrnehmen können, wie ich in der Lage war, mir die Wahrnehmungsmuster vorzustellen, die zu meiner Wahrnehmung seiner Wahrnehmung seiner selbst führen. In dieser Hinsicht stellen die Koolay die Verkörperung des Reflexiven per se dar.

Die Verhalternstendenzen der Koolaygattungen sind generell zutiefst verständigungsorientiert, weil ihre Kultur erkannt hat, dass folgerichtige Eigenreflexion nicht am eigenen Individuum Halt machen kann. Als Folge daraus sind und waren die Koolay eine außerordentlich friedliebende Gemeinschaft, die Konflikte mit dem Anderen vor allen Dingen als Konflikt mit sich selbst begreift.

Als Folge daraus sind alle erkennbaren Zeichen, die die Koolay im - gemessen an den uns zur Verfügung stehenden Sinnen - wahrnehmbaren Bereich hinterlassen, kommunikative und gewollte Muster. Die Sprache der Koolay, das Koolayal, ist, da die Individuen in ihren Kenntnisbereichen oft stark divergieren, strukturell assoziativ aufgebaut.
Die äußere Form des Koolayal weist jedoch den zur Verständigung notwendigen Kodex auf und verweist auf die jeweiligen Codes der anderen, in die Kommunikation eingebundenen Wesen. Somit kann es formal und inhaltlich von Ayganyay, Phulgayn und Tsippin wahrgenommen werden, ohne dass es speziell von ihnen erlernt werden müsste Dasselbe gilt auch für die physisch wahrnehmbaren Koolaystrukturen, wie etwa die Orientierung im architektonischen Kontext.

Die äußere Erscheinung des Koolay und seines (wahrnehmbaren) Verhaltens hängt für außenstehende Wesen also von zwei wesentlichen Faktoren ab. Erstens von der Fähigkeit des Koolay selbst, sich seine eigene Lebensform, Psyche und Physis zu ersinnen, zu strukturieren, aufzubauen und zu erhalten, also seiner Kenntnis seiner selbst und seiner entsprechenden Sensibilität und Reflexi-onsfähigkeit und, zweitens, von seiner Kenntnis unseres Wesens und unserer Wahrnehmung, seinem Interesse an und seiner Haltung gegenüber uns sowie seiner Empathiefähigkeit, die es ihm ermöglich, sich in unser Wesen darstellend hineinzuversetzen.

Insofern hängt seine Erscheinung immer auch von unserer eigenen psychischen und emotionalen Konstitution ab, auf die besonders sensible oder erfahrene Koolaywesen auch spontan zu reagieren vermögen. Alte Koolay sind häufig in der Lage, während der visuellen oder auch akustischen Kommunikation mit anderen Wesen, auf Unsicherheiten des Gegenübers mit einem, häufig besonders vertrauenserweckenden, Gestaltwandel zu reagieren, der die Ebene der Verständigung verbessert.

Koolay sind jedoch, in Abgrenzung zu den Phulgayn, keine metamorphen Wesen. Es wäre ein fatales Missverständnis, begriffe man ein Koolay als unbegrenzt flexibel. Selbst für ältere Wesen sind wesentliche Veränderungen an den körperlichen Strukturen in der Regel äußerst zeitaufwendig. Zweifelsohne sind auch die Ureinwohner Ayganyans an chemische Prozesse gebunden. Sie sind sich in der Regel zumindest partiell sichtbar. Da ihr Geist zumeist danach strebt, sich im Rahmen ihres Selbstverständnisses als Symbiose von Geist und Körper darzustellen, bestehen ihre Körper häufig aus einer Kombination von gasförmig-transparenten und festen Anteilen. Viele Koolay leuchten im Dunkeln, da sie bereits in ihren Jugendjahren die positive Bedeutung des Lichts für die anderen Lebewesen kennen lernen.

Koolay nutzen die tiefen Gewässer der Meere als Refugien, die ihnen intensive Kontemplation und Reflexion ermöglichen, weil sie als unberührte und unbewohnte Gebiete des Planeten nur selten von anderen Lebewesen aufgesucht werden. Koolay verbringen große Teile ihres Lebens in Zurückgezogenheit und mit anderen Koolay im Ausgleich für den Aufwand, den sie leisten müssen, wenn sie beim Kontakt mit anderen Wesen in ständiger Wahrnehmung der Reaktionen des Anderen und der Kontrolle der eigenen Erscheinung um Verständigung bemüht sind. Im Regelfall sind ihre Vertreter allerdings als Botschafter (i'khgaa'haedh / kolahain) in den zumeist mehrheitlich von Ayganyay bewohnten Rat-Lenntayn zu finden.

Die Selbstbezeichnung als i'koolai verweist auf die besondere Affinität dieser Wesen zum Spirituellen. Zwar ist der Name ayganyayschen Ursprungs und verweist auf die Verwandtschaft zu Koay, allerdings ist er nicht den Ayganyay zuzuschreiben, sondern bildete sich aus der geschichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem, was sich als Selbstverständnis der Koolay bezeichnen lässt und dem Bild, das auf der reflexiven Ebene durch die Wahrnehmung der Wahrnehmung der Anderen entstand. Insofern entsprechen die Bezeichnungen Koolay oder i'koolai den allgemeinen inhaltlichen Tendenzen der Koolaygemeinschaft. Immer steht die Reaktion auf den Anderen im Kontext des eigenen Selbstverständnisses. Daher sagt der Umgang der Anderen mit den Koolay viel über das Geistige Volk selbst aus. Die Ayganyay ihrerseits verstehen die Koolay als direkte geistige Kinder Koays, dem Kern der Dinge, denn viele kulturelle Eigenarten der Koolay basieren auf einer besonderen Mischung rationaler und spiritueller Verhaltenselemente, die nicht auf Glaube und Wahrnehmung, sondern auf reiner Kenntnis und Erkenntnis basiert. Diese elementare Trennung zwischen Wahrnehmung und Erkenntnis spielt sowohl in der heutigen Philosophie der Ayganyay, wie auch in der der Koolay, eine zentrale Rolle.

Vor kurzem wurde deutlich, dass die Koolay einen zentralen Versammlungsknotenpunkt auf Ayganyan festgelegt haben. In unserer Terminologie ließe sich dieser Ort in der Tat als eine Art Hauptstadt bezeichnen. Die Ayganyay beschreiben solche zentralen Orte als Rat-Lenntay. Die Koolay bezeichnen den angesprochenen Ort als mit Hilfe des Begriffs T'a'wal. Er befindet sich auf halber Strecke zwischen Seroyda und Boordh, einem der nördlichsten Punkte Moolwias in den kalten Tiefen des Tor-Marath (Südmeer).
Berichten zufolge soll das Konzept T'a'wal umgerechnet mehr als achthunderttausend Jahre alt sein.


Anmerkungen

(1) In Kürze wird das Ayganyan Projekt um die Übersicht über die historische Entwicklung dieser virtuellen Welt (Teile aus Geschichtsband III) ergänzt werden.

 

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